Moritz Zajonz (24) ist Teil des ddj-Teams Journocode und aktuell Volontär bei der Süddeutschen Zeitung (SZ). In diesem JoCoView gibt er Einblick in die Arbeit dort im Datenteam, seinen Vortrag auf der JournoCon und Tipps für den Umgang mit Statistik.
Mit Journocode gebt ihr seit neustem öffentliche Workshops, wie sich auf eurer Homepage einsehen lässt. Du heißt dort „Crypto Squirrel“. Was verbirgt sich dahinter?
Moritz Zajonz: „Das ist witzig gemeint – weil ich mich nebenbei auch für Themen wie ‚cyber security‘ und digitale Privatsphäre interessiere. Und das kommt eben immer wieder in der Arbeit bei Journocode rüber, dass wir verantwortungsvoll mit Daten umgehen wollen.“
Passend dazu erreicht man eure Homepage jetzt über „https:“.
„Ich freue mich, dass wir das endlich eingerichtet haben. Zu Beginn haben wir da nicht so drüber nachgedacht, wir wollten vor allem schnell und unkompliziert unsere Tutorials online stellen. Aber https ist einfach ein Standard für Datensicherheit, den jede Website anbieten sollte. Es ist auch deutlich einfacher und günstiger geworden, das einzurichten.“
Unbelievable but true: We are now reachable via https! Visit https://t.co/hoFn7e5pPq and surf safely through our #ddj and coding tutorials. #safetyfirst pic.twitter.com/okgzCQrl1R
— Journocode (@journocode) January 15, 2018
Wie bist du zum Programmieren gekommen?
„Computer- und technikaffin war ich schon seit meiner Kindheit. Ich studiere Wissenschaftsjournalismus an der TU Dortmund und hatte erst Biomedizin als Schwerpunkt. Dann bin ich aber gemeinsam mit Kira Schacht schnell zum Schwerpunkt Datenjournalismus gewechselt, auch weil Marie-Louise Timcke so begeistert davon war. Die Programmiersprache R haben wir gelernt, weil der Großteil der Datenjournalismus-Veranstaltungen in der Statistik stattfindet – und Statistiker arbeiten für ihre Analysen hauptsächlich mit R. Dadurch wurden wir alle ein bisschen geprägt, weshalb wir jetzt vor allem damit arbeiten. Auch bei der SZ nutzen wir vor allem R für die Datenverarbeitung. Ab und an, je nach Projekt, schreiben wir aber auch Code in anderen Sprachen, zum Beispiel in Python für das Scrapen von Websites.“
Wie sieht der Arbeitsalltag bei euch im SZ-Datenteam aus?
„Zum Teil etwas anders als bei vielen deutschen Daten-Teams, glaube ich. Zum Beispiel haben das BR Data- und SPIEGEL-Daten-Team etwa zwei Jahre an ihrem Projekt „Hanna und Ismail“ über Diskriminierung bei der Wohnungssuche gearbeitet. Wir setzen zwar ebenfalls größere Projekte um, wollen aber auch tagesaktuell arbeiten. Derzeit wechsle ich mich bei den Planerschichten wöchentlich mit meiner Kollegin Katharina Brunner ab. Wir sichten dann die Woche über Themen, die aktuell relevant sind oder es noch werden können und schauen, inwieweit wir sie daten-getrieben umsetzen können.“
Was aber unter tagesaktuellem Zeitdruck bestimmt nicht immer leicht ist.
„Die Herausforderung dabei besteht aus zwei Teilen: Zum einen aus der kurzfristigen Datensuche, ihrer Säuberung, Analyse und schnellen Visualisierung. Zum anderen aus der Absprache mit den Redakteuren und manchmal mit der Print-Infografik-Abteilung, mit der wir eng zusammenarbeiten. Sie erstellen dann häufig nicht nur für die gedruckte Ausgabe die Grafiken, sondern auch für Online-Artikel, bei denen wir ein besonderes Highlight setzen wollen. Wir nutzen für die Online-Visualisierung vorwiegend das wunderbare Tool „Datawrapper“, das tagesaktuelles Arbeiten oft überhaupt erst möglich macht und auf Desktop und mobil gut aussieht. Wir haben auch Entwickler, die dann aber eher bei Projekten involviert sind. Oder sie entwickeln ein neues Infografik-CMS, mit dem die gesamte Redaktion in einem modernen Interface leichter Longreads und ähnliche Anwendungen erstellen kann. Wenn wir Fragen haben, können wir uns jederzeit an sie wenden, was einfach super wertvoll ist. Einfache Scraper für das Beschaffen von Daten schreiben wir aber meist selbst.“
So spenden die Menschen in Deutschland: Ein Überblick in Grafiken von @OliverKlasen und Moritz Zajonz https://t.co/2AZXnfXwlm
— Süddeutsche Zeitung (@SZ) December 23, 2017
Mit Journocode veranstaltet ihr am 24. März das ddj-Event JournoCon. Du bist einer der Speaker. Passend zu deinem Thema dort die Frage: Was sollten Journos über Statistik wissen?
„Ein grundlegendes Verständnis von Statistik ist wichtig, beispielsweise um Grafiken einschätzen zu können. Ist eine Aussage verfälscht dargestellt worden? Da gibt es ja einige Möglichkeiten, wie die y-Achse abzuschneiden, so dass der Trend viel größer aussieht, als wenn der Anfang bei 0 wäre. Das ist so ein Standardbeispiel, das einem häufig begegnet. Genauso sollte jeder einen Mittelwert berechnen können. Ich glaube das sorgt auch für ein sichereres Gefühl bei Journalisten, wenn sie Statistiken interpretieren müssen.“
Was fasziniert dich so an Daten und Statistiken?
„Das ist zwiespältig geworden – auch wenn das vielleicht komisch klingt. Am Anfang des Studiums war ich sehr fasziniert, wie viele Daten es gibt, die bei Ämtern liegen und nicht mehr angeschaut werden. Damit kann man so viel machen! Aber dann bin ich dahinter gekommen, dass Daten nicht alles sind. Sie sind nicht die absolute Wahrheit und es gibt nicht zu allen Aspekten unserer Gesellschaft welche. Es gibt zum Beispiel keine amtlichen Obdachlosen-Statistiken, soweit ich weiß. Das liegt daran, dass Obdachlose eben nirgendwo gemeldet sind, dadurch fallen sie aus dem Statistikraster. Es gibt einfach Lücken – und dessen muss man sich bewusst sein. Trotzdem finde ich, dass Daten eine Möglichkeit sind, Stories anders, vielleicht auch besser, zu erzählen.“
Jana Anzlinger und ich haben uns nochmal genauer mit der Zusammensetzung des neuen Bundestages befasst: https://t.co/afb0MF1M1L
— Moritz Zajonz (@graph_zahl) October 23, 2017
Viele Studierende müssen Statistik-Kurse belegen – unter anderem wegen der wissenschaftlichen Abschlussarbeiten. Viele von ihnen verzweifeln daran. Hast du einen Tipp für sie für einen Zugang zu der Statistik?
„Ich hatte den Vorteil mit Marie und Kira anzufangen, so dass wir gemeinsam lernen konnten. Das war sehr hilfreich, weil jeder etwas Anderes konnte und wir uns so gegenseitig ein bisschen coachen konnten. Statistik ist manchmal unsexy, man bekommt aber viel Wissen mit, das in unterschiedlichen Kontexten angewendet werden kann. So können veröffentlichte Statistiken generell besser eingeschätzt werden. Zum Beispiel wenn die rechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“ Zahlen zur Kriminalität von Ausländern auf ihrer Seite veröffentlicht, können die hinterfragt werden. Für Journalisten liegen hinter Daten spannende Geschichten – vielleicht ist all das auch ein bisschen Motivation, wenn man weiß, dass es einem etwas bringt. “
Der Datenjournalismus ist seit einigen Jahren in Deutschland angekommen. Wo siehst du ihn gerade?
„In Deutschland ist der Datenjournalismus in einigen größeren Medienhäusern angekommen, hat aber noch eine Reise vor sich. Die Datenteams sind schon sehr gut. In anderen Ländern, wie beispielsweise in den USA, werden mehr Projekte gemacht, zum Beispiel auch von gemeinnützigen Organisationen, wie Pro Publica. Die weisen mit Daten viel auf gesellschaftlich relevante Themen und Probleme hin. Sie hatten beispielsweise ein Projekt, bei dem sie Munitionslager von Stützpunkten der US Army aufgezeigt haben und welche Folgen die zum Beispiel für das Grundwasser haben. Ich wünsche mir für den Datenjournalismus in Deutschland, dass die Verlage dafür ein Bewusstsein entwickeln und erkennen, dass er einen Mehrwert über einen reinen Text hinaus hat. Und dass die Verlage ihn für die Zukunft bewusst einplanen.“
Was ist Journocode? Geschäftsführerin Marie-Louise Timcke beschreibt das Projekt auf ihrer Homepage wie folgt: „Im Oktober 2015 haben Kommilitonen und ich Journocode gegründet – ein BarCamp für Datenjournalismus- und Programmierbegeisterte in Dortmund. Zwei Jahre später gehen wir nun den nächsten Schritt und bieten als Journocode UG Workshops und Seminare an.“ Außerdem befinden sich auf der dazugehörigen Internetseite hilfreiche ddj-Tools und ein Glossar, in dem die wichtigsten Datenjournalismus-Begriffe erklärt werden.
Weitere Journocoder im JoCoView:
- Marie-Louise Timcke: „Nicht nur Daten für Story nehmen“
- Kira Schacht: „Hoffe, dass DDJ normaler wird“
Quelle Beitragsbild: Jessy Asmus
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