Sebastian Brinkmann arbeitet als Director Publishing Services bei der Rheinischen Post Mediengruppe und Gründer des Projekts „Journalisten-Tools.de“. In diesem JoCoView gibt er Einblick in beide Arbeitsbereiche, erklärt, wieso er als ausgebildeter Journalist nicht einen Tag lang Redakteur war und warum die Verbindung von Journalismus und Technik so wichtig ist.
Wie kam es überhaupt zu Journalisten-Tools.de?
Sebastian Brinkmann: „Die Vorgeschichte ist: Ich habe im Jahr 2000 Pressekonditionen.de, ein Portal für Journalistenrabatte, gegründet. Damals ein riesiges Thema. Das habe ich so bis etwa 2014 gemacht – sehr schön, viele Newsletter-Abonnenten, viele User, viele Zugriffe. Ich persönlich finde es sehr faszinierend Webseiten aufzubauen und zu schauen, wie man Reichweite bekommt – und das nicht im Rahmen eines Konzerns, sondern als ‚One-Man-Show‘. Journalistenrabatte war aber ein sehr umstrittenes Thema, gerade mit Blick auf Moral und Journalismus. Und dann habe ich überlegt: ‚Was könnte ein anderes Thema sein?‘ Schließlich bin ich auf Journalisten-Tools gekommen. Mit Erschrecken, aber auch Erstaunen und Beglücken habe ich festgestellt, dass die dazugehörige Domain noch frei war. Fünf Minuten später war sie es nicht mehr.“
Wie kommst du auf die Tools, die du dort vorstellst?

„Das ist eine bunte Mischung aus Sachen, die ich selber entdecke, von denen ich auf Blogs oder den sozialen Netzwerken lese und teilweise – das nimmt auch zu – Firmen, die mich anmailen und fragen, ob ich ihre Software oder Hardware testen möchte.“
Kennzeichnest du das denn, dass dich die Firma darauf angesprochen hat?
„Also wenn sie mich nur darauf angesprochen hat, dann nicht. Was ich kennzeichne ist ganz klassisch, wenn Werbeartikel auf der Seite laufen. Die haben unten auch einen Disclaimer, dass das ein Anzeigenartikel ist, der Text vom Kunden geliefert wurde und nicht von mir. Und wenn ich ein Produkt zur Verfügung gestellt bekomme von einer Firma – das war letztens beispielsweise so ein Rucksack, eine Mischung aus Koffer und Laptoptasche – dann sage ich der Firma, dass sie keinen Einfluss auf den Artikel hat und ich drunter schreibe, dass sie mir ihn zugeschickt hat.“
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Und wenn dich jemand angeschrieben hat, dann testest du das Tool wirklich und denkst nicht andauernd, dass du jetzt etwas besonders Gutes schreiben musst?
„Genau. Da denke ich total journalistisch. Auch bei Anzeigenartikeln achte ich darauf, dass die einen Nutzwert haben. Ich hatte mal einen Anbieter, dessen Online-Service Rechnungen, die du gestellt hast, bereits binnen einiger Tage begleicht und dir das Geld überweist. Dann muss man beispielsweise als freier Journalist nicht so lange auf sein Geld warten. 95 Prozent bekommt der Kunde, 5 Prozent ist deren Gewinn. Da habe ich gesagt: ‚Okay, da kann man einen gewissen Nutzen sehen, gerade für freie Journalisten.‘ Das habe ich als Werbetext angenommen und auch wieder gekennzeichnet. Es gibt aber auch viele Anfragen, zum Beispiel von Online-Casinos, bei denen es keinen Bezug zu Journalisten-Tools gibt. Das mache ich nicht.“
Welches Tool findest du momentan am besten?
„Aktuell ist das ToDoIst. Davon habe ich immer wieder gehört, es aber nie wirklich benutzt. Doch dann dachte ich: ‚Das musst du mal ausprobieren.‘ Seit einigen Wochen mache ich das und bin total begeistert. Lange war ich von der Allzweckwaffe Evernote begeistert, da habe ich auch viel auf der Seite zu. Ich finde aber, dass die massiv nachlassen in der Entwicklung.“ (Anmerkung: Mehr dazu in Sebastians Artikeln: „Meine besten Tipps für ToDoIst“ und „Fünf Evernote-Alternativen mit und ohne Cloud-Speicherung“. Laut Sebastian ist dieser Alternativen-Artikel der meistgeklickte seiner Seite.)
Bevor du Journalisten-Tools gegründet hast, warst du bereits Journalist. Wie war dein Weg in die Branche?
„Schülerzeitung. Da habe ich angefangen. Dann ging es weiter als freier Mitarbeiter des Solinger Tageblattes. Ich habe Romanistik und Politik studiert und habe nach dem Magister-Abschluss ein Volontariat bei der Rheinischen Post (RP) gemacht. Mein ganz großer Traum war es, Redakteur zu werden. Heute kann ich darüber scherzen, dass ich in meinem Leben nicht einen Tag lang Redakteur war. Denn nach dem Volontariat bin ich ziemlich direkt ins Produktmanagement von RP-Online gewechselt bin. Heute sitze ich in der IT und kümmere mich um die Einführung eines neuen Redaktionssystems.“
Rheinische Post macht Sebastian Brinkmann zum Director Publishing Services. http://t.co/dl3R5F5qKK pic.twitter.com/ywOXPasPYX
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Hast du es vermisst, nie Redakteur gewesen zu sein?
„Ich muss gestehen: Als die Idee im Raum stand, vom Journalismus ins Produktmanagement zu wechseln, habe ich gehadert. Weil ich dachte: ‚Man, da hast du so lange davon geträumt Journalist zu werden, und kaum kannst du es endlich sein, machst du es nicht mehr.‘ Das habe ich aber nie bereut. Ich habe mein Volontariat vor zehn Jahren beendet und muss heute sagen, dass das genau mein Ding ist. Ich habe ja immer noch viel mit Journalisten zu tun, bin aber eigentlich ein guter Dolmetscher geworden zwischen den Technikern und den Redakteuren. Letztens meinte ein Redakteur, mit dem ich über ein technisches Problem geredet habe: ‚Hach, Herr Brinkmann. Ich weiß gar nicht, wie ich das den Technikern erklären soll, die sprechen eine andere Sprache.‘ Da habe ich dann vermittelt und das funktioniert seit Jahren sehr gut.“
Ist Journalisten-Tools.de aber vielleicht auch ein Grund und die Möglichkeit, doch noch journalistisch arbeiten zu können?
„Ja. Ja. Ja. Das ist aber auch das Ding, das ich genieße: Ich schreibe über was ich will, wann ich will und wie ich will. Ich mache meine Themen selbst und die interessieren mich einfach brennend. Deshalb ist es super, dass man dieses Hobby ausleben kann und sonntagabends nicht den Tatort guckt, sondern den Text in die Tastatur hackt. Was ich auch mache: Ich probiere sehr viele Tools aus, die ich dann aber wegschmeiße, weil ich denke, dass die Mist sind. Ab und zu schreibe ich auch darüber, dass es nicht gut ist, weil auch das einen Nutzwert hat. Das mache ich zum Beispiel auch, wenn Firmen mich anmailen. Dann schreibe ich ihnen, dass ich diese fünf Punkte daran Mist finde und dass wir erst weiter darüber reden können, wenn die weg sind.“
Woher kommt deine Technik-Affinität? Hattest du die schon als Kind oder hat die sich erst entwickelt?
„Ich würde rückblickend sagen, dass ich mich schon immer für Technik interessiert habe, auch für Computer und so. So etwa in 2000 habe ich kapiert, dass Journalismus mich alleine nicht weiterbringen würde. Das klingt so ein bisschen despektierlich, aber sagen wir mal, ich habe mir gedacht habe: ‚Es gibt tausende Menschen, die gut schreiben können. Du musst dir irgendetwas suchen, was dich unique macht.‘ Erst Jahre später habe ich Wörter, wie ‚Personal Branding‘ gehört. Ich habe einfach kapiert: Du brauchst ein zweites Standbein. Das war die Technik, in die ich so reingewachsen bin. Es hilft heute enorm. Als die Rheinische Post überlegt hat, wem sie das Projekt mit dem neuen Redaktionssystem gibt, stand ich deshalb ziemlich gut da.“
Kannst du eigentlich auch programmieren?
„Pressekonditionen.de war wirklich selber programmiert mit PHP, mySQL und so, anfänglich sogar mal mit Perl. Das habe ich eine Zeit lang mal echt gut hinbekommen. Mittlerweile habe ich es aber total verlernt, kann aber noch so Basics. Ich kann immer noch mit Entwicklern darüber diskutieren oder zumindest verstehen, wieso etwas technisch manchmal auch nicht lösbar ist. Journalisten-Tools.de ist mit WordPress aufgesetzt worden, damit ich mich verstärkt auf die Inhalte konzentrieren kann.“
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— Journalisten-Tools (@journalist_tool) March 14, 2018
Blick in die Zukunft mit Journalisten-Tools.de: Ist das der Bereich, bei dem du bleiben möchtest?
„Ja. Ich glaube, das ist ein Bereich, der immer wichtiger wird, weil Journalismus ohne Technik, gerade Online, funktioniert nicht. Es ist technischer geworden, was aus meiner Sicht einer der Gründe ist, weshalb Print-Redakteure Angst vor Online haben: Weil sie Angst vor dieser ganzen Technik, Geschwindigkeit und Komplexität haben. Ich möchte zukünftig die Reichweite von Journalisten-Tools ausbauen und mehr Newsletter-Abonnenten bekommen. Aktuell sind es 2600 Abos. Ich hätte gerne auch mehr Gastautoren auf der Seite, um noch ein breiteres Spektrum zu bekommen. Also nicht nur die Tools, die ich gut finde, sondern die, die auch andere nutzen.“
Und beruflich?
„Ich lasse mich bei der Frage, was ich in fünf Jahren mache, überraschen. Hättest du mich vor zehn Jahren gefragt: ‚Wo bist du?‘ hätte ich das auch nicht so antworten können. Ich hätte mir während meines Volontariats nicht vorstellen können, als ich das Redaktionssystem kennengelernt habe, dass ich mal der Typ sein würde, der das Projekt für die Einführung des neuen leitet. Mit einer gewissen Entwicklung, jetzt mit 41, stellt man aber fest: Das ist genau mein Ding.“
Anmerkung: Für Sebastian Brinkmanns Homepage „Journalisten-Tools.de“ habe ich einen Gastbeitrag zum Thema „Newsgames“ geschrieben. Dort erkläre ich euch, was das ist und welche Tools ihr benötigt um ein solches Spiel für den Journalismus zu entwickeln (Artikel: „Newsgames: Was ist das und wie erstellt man sie? (Gastbeitrag)“).
Quelle Beitragsbild: Nina Brinkmann
Ein Gedanke zu „Brinkmann: „Journalismus ohne Technik funktioniert nicht““