Kindern das Programmieren beibringen – das haben sich Diana Knodel und ihr Mann Philipp zum Ziel gesetzt und die Plattform „App Camps“ entwickelt. Dort bekommen Lehrer kostenloses Material zum Thema Programmierung für ihren Unterricht. Im Interview gibt Diana Knodel einen Einblick.
Wieso habt ihr es euch zur Aufgabe gemacht, Kindern das Programmieren beizubringen?
Diana Knodel: „Angefangen haben wir mit einem App Summer Camp im Sommer 2013. Wir wollten Mädchen zeigen, dass Programmieren Spaß macht und man eigene Ideen umsetzen kann. Wir haben mit dem „Appinventor“ gearbeitet. Das ist ein tolles, kostenloses Tool vom MIT. Eigentlich war lediglich eine einmalige Veranstaltung geplant. Wir hatten nach der Veranstaltung allerdings sehr viele Anfragen für weitere Programmierworkshops bekommen – und haben das dann auch immer wieder gemacht. Die Workshops zum Thema App Entwicklung waren an verschiedenen Standorten, oft auch an Schulen. Wir haben schnell gemerkt, dass da ein großer Bedarf ist. Als wir dann bei einem Wettbewerb mit unsere Ideenskizze zur App Camps Plattform den 1. Platz gemacht haben, war klar, dass wir gründen wollen.“
Was habt ihr vorher gemacht?

„Ich selbst bin Informatikerin, habe Medieninformatik mit Schwerpunkt Psychologie studiert. Mit meinem Mann Philipp, der eigentlich Politikwissenschaftler ist, habe ich „App Camps“ gegründet. Er hat im Bereich Bildungspolitik geforscht. So sind wir thematisch zusammengekommen. Das Thema hat uns gefunden und nicht mehr losgelassen.“
Wieso ist es überhaupt so wichtig, dass bereits Kinder in Kontakt mit dem Thema Programmieren kommen?
„Es geht uns nicht darum, dass hinterher alle Programmiererinnen oder Programmierer werden sollen oder Informatik studieren. Wir leben in einer digitalen Welt. Das beste Beispiel ist aktuell der Facebook-Datenskandal. Um so etwas besser zu verstehen, ist es sinnvoll, dass man die Technik nicht nur anwendet, sondern selbst einmal programmiert. So kann man hinter die Kulissen blicken und weiß, was es bedeutet, eine App zu entwickeln, Daten zu speichern, Daten in einer Datenbank abzulegen und so weiter. Es ist heutzutage eine wichtige Kompetenz, um sich mündig in unserer Gesellschaft, die von digitalen Medien geprägt ist, zu bewegen.“
Ihr wollt ja auch, dass Schüler das Programmieren lernen. Wie läuft die Kooperation mit den Schulen ab?
„Wir haben eine Online-Plattform für Lehrkräfte. Sie bekommen darüber digitale Unterrichtsmaterialien, um im Unterricht dann damit das Thema Coding, Daten, Medienkompetenz und so weiter anbieten können. Wir selbst sind gar nicht mehr in den Schulen vor Ort, sondern wir entwickeln digitale Unterrichtsmaterialien, die von Lehrkräften genutzt werden.“
Auf eurem „App Camps“-Twitter-Account schreibt ihr, dass ihr die kostenlosen Unterlagen zu den Themen App-Entwicklung, Scratch, Webseiten und Calliope anbietet. Wieso habt ihr euch für diese Bereiche entschieden?
„Mit App-Entwicklung sind wir gestartet und haben darin unseren ersten Workshop gemacht. Wir schauen immer nach Werkzeugen, die wir selbst gut finden, wie zum Beispiel den „Appinventor“, Scratch oder Calliope, zu denen wir dann die Unterrichtsmaterialien erarbeiten können. Die Unterlagen sollen es den Lehrkräften einfacher machen, diese Themen zu unterrichten. Teilweise gibt es zu den Tools viele englischsprachige, gute Unterlagen. Die funktionieren in deutschen Schulen aber häufig nicht so gut.“
Tipp: @fobizz stellt drei tolle Tools vor, um das digitales Grundverständnis zu fördern und Grundlagen der Programmierung zu unterrichten 👉 https://t.co/V6hZ4MHIJ1 @CalliopeMini @scratch @MITAppInventor Finden wir gut! 👏
— App Camps (@app_camps) March 6, 2018
Kann man die Unterrichtsinhalte bereits in der Grundschule nutzen oder für welche Klasse sind sie gedacht?
„Calliope und Scratch kann man schon ab der Grundschule machen, wobei die meisten Unterlagen, die wir anbieten, für weiterführende Schulen sind. Je nach Thema – das steht aber auch immer dabei – sprechen wir eine Empfehlung aus, ab welchem Alter das ist.“
Du hast ja selbst auch Kinder. Lernen die bereits das Programmieren?
„Die sind noch zu klein, die sind erst zwei und fünf. Insofern können die mit unseren Unterrichtsmaterialien noch nichts anfangen, sie können noch nicht selbst lesen. Aber wir haben ja auch das Buch „Einfach Programmieren für Kinder“ geschrieben, das im Carlsen Verlag erschienen ist. Das schauen wir manchmal an.“
Reagieren sie da neugierig drauf, weil Mama und Papa das machen?
„Wenn sie irgendwo grafische Programmierblöcke sehe, sagen sie immer ‚Das ist App Camps‘. Das ist natürlich nicht App Camps, aber wir arbeiten viel damit. Das haben sie schon verstanden. Ansonsten ist das für sie alles noch ganz spielerisch. Wenn wir uns das Buch anschauen, freuen sie sich über den Roboter und über die Illustrationen im Buch. Für die Inhalte sind sie noch zu jung.“
Ist euer Buch denn inhaltlich mit den „App Camps“-Materialien verknüpft?
„Nein. Es ist einfach ein Buch, das wir gemeinsam mit dem Carlsen Verlag herausgegeben haben – natürlich zu dem Thema ‚Programmieren lernen‘, weil das einfach unser Thema ist.“
Und das beinhaltet dann Schritt für Schritt, wie man sich dem Thema nähern kann?
„Es ist so aufgebaut, dass wir die Konzepte, die in allen Programmiersprachen eine Rolle spielen, wie beispielsweise Variablen, Schleifen und so weiter, zeigen. Das haben wir spielerisch für Kinder aufbereitet.“
Es ist da! Unser Kinderbuch Einfach Programmieren für Kinder. Wie toll! 💚 https://t.co/xZHWHcwe5f Glücklich mit @PhilKnodel 😍 pic.twitter.com/S2CmcyFRq4
— Diana Knodel (@DianaKnodel) September 14, 2017
Ward ihr früher selber in den Schulen und habt euch angeschaut, wie gut das Ganze dort funktioniert?
„Anfangs waren wir oft an Schulen und haben ganz viel getestet und evaluiert. Ich weiß noch, die allererste Schulstunde, in der wir unsere Ideen vorgestellt haben: das war so chaotisch und lief nicht so, wie wir uns das gedacht haben. Danach haben wir sehr viel angepasst und umgestellt. Da haben wir also viel gelernt. Wir sind ab und an noch in Schulen oder haben Veranstaltungen, bei denen Schülerinnen und Schüler zu uns kommen. Uns ist die Nähe zur Zielgruppe einfach wichtig, gerade auch um zu sehen, was funktioniert und was nicht.“
Sind die Schulen selbst denn gut für die Programmierprojekte ausgestattet oder ist das manchmal schwierig vor Ort umzusetzen?
„Mit App Camps Unterlagen arbeiten natürlich vor allem die Lehrkräfte, die sehr aktiv in dem Bereich sind. Sie wissen, dass es an ihrer Schule möglich ist und dann registrieren sie sich bei uns. Wie viele das nicht machen, weil ihre Schulinfrastruktur das nicht ermöglicht, das bekommen wir natürlich nicht mit. Wir versuchen auf alle Fälle unsere Unterlagen so aufzubereiten, dass alles selbst mit nur mittelmäßiger Ausstattung an Schulen klappt. Fast alles läuft im Browser und es muss nichts extra angeschafft oder installiert werden.“
Wie geht man eigentlich vor, wenn man einem Kind das Programmieren beibringen will, da es darüber ja noch gar nichts weiß?
„Es hängt immer davon ab, wie alt das Kind ist. Es gibt ja schon gute Möglichkeiten, das versuchen wir ja auch in unserem Buch, dass man die Konzepte erst einmal ohne Computer erklärt. Da kann man Übungen zu machen. Dabei geht es eher um das Grundlagenverständnis: Was ist ein Algorithmus? Was ist eine Anweisung? Das können jüngere Kinder auf alle Fälle schon verstehen. Wenn es wirklich um die richtige Programmierung geht, kann man wunderbar mit Scratch in Klasse 3 oder 4 anfangen und erste grafische Programme schreiben. Zum Beispiel Spiele oder Animationen. Wir empfehlen mit dem „Appinventor“ ab Klasse 8 anzufangen. Von Code.org gibt es auch viele tolle Unterlagen. Es gibt glücklicherweise mittlerweile viele tolle Tools und Werkzeuge, die man verwenden kann, um das Thema spielerisch mit Kindern zu erleben.“
Ich schreibe einen Artikel über Programmierworkshops für Kinder und Jugendliche. Welche Angebote dürfen nicht fehlen? Gerne teilen 🙏 CC: @CodeWeekGermany @jugendhackt @HABAdigital @hckrschl @jungetueftler @codeweekHH @codeunddesign @WorkTechLab @app_camps
— Diana Knodel (@DianaKnodel) March 15, 2018
Du bist ja Medieninformatikerin – wie bist du denn anfangs selbst zum Programmieren gekommen? Auch schon im Kindesalter?
„Ich bin da wirklich durch Zufall gelandet. Ich hatte in der Schule die Leistungskurse Englisch und Kunst, also noch nicht einmal Mathe, weil ich in der 11. Klasse ein Jahr im Ausland in den USA war. Ich hatte auch kein Informatik in der Schule. Als ich mir dann überlegt habe, was ich studieren möchte, dachte ich, dass ich Mathe schon immer ganz gerne mochte und Computer und ihre Kommunikationsmöglichkeiten mich faszinieren. Und ich mochte Kunst. So bin ich bei der Medieninformatik gelandet und habe erst im Studium selbst programmieren gelernt. Es war anfangs auch nicht leicht, gerade weil ich das Gefühl hatte, dass alle anderen schon richtig gut sind und ich hatte so gar keine Ahnung. Ich musste also viel nachholen, hatte aber eine tolle Lerngruppe mit Freundinnen, so dass das dann alles gut geklappt hat.“
Ist es leichter einem Kind oder einem Erwachsenen das Programmieren beizubringen?
„Wir machen ja auch immer wieder Workshops für Erwachsene. Kinder gehen da meistens mit einer größeren Neugierde ran. Wenn sie es einmal verstanden haben, wie es funktioniert, dann probieren sie Dinge aus und trauen sich mehr zu. Bei Erwachsenen ist das ganz unterschiedlich. Nicht alle Kinder oder Erwachsene sind da ja gleich. Kinder sind aber meistens etwas mutiger.“
Lehrerfortbildung zum Thema Apps mit Javascript 📱👍 am Landesinstitut für Lehrerbildung 🏫#Hamburg #DigitaleBildung #Coding Die Unterrichtsmaterialien dazu gibt es hier: 👉 https://t.co/IPvPjByjyS pic.twitter.com/QPikTaaEk3
— App Camps (@app_camps) April 14, 2018
Was glaubst du, welche Rolle das Programmieren in der Schule zukünftig spielen wird?
„Ich wünsche mir, dass alle Kinder einmal die Chance haben, das auszuprobieren. Es kommt auch immer mehr. Zum Beispiel in Baden-Württemberg gibt es ab Klasse 7 Informatik als Pflichtfach. In immer mehr Bundesländern ist es im Curriculum integriert. Natürlich wissen wir nicht, wie sich die Welt weiterentwickelt. Vor elf Jahren gab es zum Beispiel noch keine Smartphones. Und dadurch hat sich sehr viel verändert. Aber wichtig finde ich es, dass Kinder und Jugendliche die Chance bekommen, die Digitalisierung zu erleben – nicht nur als Anwender. Deshalb hoffe ich, dass es eine noch wichtigere Rolle spielen wird. Wir versuchen das ja mit „App Camps“ und unseren Angeboten auch zu unterstützen.“
Anmerkung: Vom 25. bis 27. Juli 2018 veranstaltet „App Camps“ das „App Summer Camp“ in Hamburg. Dort können sich Kinder noch anmelden. Ich werde als Coach mit vor Ort sein und die Kinder beim Programmieren ihrer eigenen Apps unterstützen. So war es im vergangenen Jahr:
Update (August 2018): Mittlerweile war das „App Summer Camp“ – es hat mega viel Spaß gemacht das Team als Mentorin zu unterstützen. Ich habe euch da ein bisschen in den sozialen Medien mitgenommen (Eindrücke gibt es unten) und einen Artikel für den Blog von App Camps geschrieben, den ihr euch gerne anschauen könnt: „App Summer Camp – die Zukunft mitgestalten“.
Was ist „App Camps“? Das Ehepaar Diana und Philipp Knodel hat „App Camps“ 2014 gegründet. Zu dieser Zeit waren beide noch in anderen Jobs aktiv. Seit Mitte 2015 arbeiten sie für das Projekt in Vollzeit. Auf der dazugehörigen Homepage schreiben sie: „Technologie verändert unsere Welt und beeinflusst unser Leben und unsere Zukunft. Wir wollen, dass alle Menschen – unabhängig von Geschlecht oder sozialer Herkunft – in der Lage sind, die (digitale) Zukunft mitzugestalten. Deshalb müssen alle Jugendliche die Chance bekommen, einmal selbst zu programmieren. Angefangen hat alles mit dem ersten App Summer Camp. Zwölf Mädchen haben Grundlagen der Programmierung gelernt und eigene App Ideen umgesetzt. Alle waren begeistert und es war schnell klar, dass es nicht bei einem einmaligen Event bleiben darf. Wir wollten deutlich mehr Schülerinnen und Schüler erreichen und vor allem auch die, die nicht an außerschulischen Angeboten teilnehmen. Deshalb entwickeln wir Unterlagen für Lehrkräfte zum Thema Programmierung und Informatik.“ Um noch mehr Lehrer zu erreichen, plant das Team derzeit verstärkt Themen in Richtung Medienkompetenz anzubieten, mit Fragen wie: Wie macht man eine gute Internetsuche? Wie funktioniert das Internet? Für die nächsten Monate hat Diana Knodel auch etwas zum Thema „Künstliche Intelligenz“ angekündigt.
Du bist Lehrer*in, Schüler*in oder ein Elternteil eines schulpflichtigen Kindes? Super! Dann nimm doch bitte an meiner Umfrage zum Thema „Schulen und Digitalisierung“ teil. Dafür einfach nur auf dieses Bild klicken:
Quelle Beitragsbild: Angemeldet: So sieht die Oberfläche von App Camps aus. Foto: Screenshot
Tolles Projekt, das unserer Erfahrung leider immer noch bitter nötig ist. Es wäre wirklich schön, wenn es an den Schulen bessere Computer- oder Informatik-Kurse gäbe. Auch schon an den Grundschulen. Unsere große hat eine solche AG mal besucht, war aber schnell gelangweilt und unterfordert, weil es da um alles außer das Programmieren zu gehen schien. Sehr schade! Wir haben ihr dann zum Geburtstag einen Programmierkurs (https://www.sivakids.de/programmieren-fuer-kinder/) geschenkt, der ihr wirklich sehr gefallen hat. Aber das ist natürlich nichts, was man jede Woche machen kann. Und manche vielleicht sogar gar nicht, weil es eben kostenpflichtig ist. Hier fehlt es an Ressourcen und Initiative im Bildungssystem.