Heinz: „Schulen müssen erstmal digitaler werden“

Virtual Reality, digitales Lernmaterial und WLAN im Unterricht: Benjamin Heinz, Marketing Manager beim Cornelsen Verlag, gibt im Interview Einblick in das „mBook“, seine Arbeit am Institut für digitales Lernen und seine Sicht auf die Digitalisierung von Schulen.

Ich habe 2012 mein Abi gemacht – teilweise wurde da noch mit Overhead-Projektor gearbeitet. Hat sich da in den sechs vergangenen Jahren etwas in den Schulen getan?

Benjamin Heinz: „Da muss man zweifach antworten. Das heißt: Es gibt Schulen mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Manche sehen nicht mehr so aus. Da gibt es dann Whiteboards, WLAN, Tablets und alles andere. Und dann gibt es Schulen, da hat sich vielleicht gar nichts getan, außer möglicherweise ein Tablet für die ganze Schule. Das kann man also per se nicht so beantworten. Es gibt unterschiedliche Ausstattungsstände. Im Grundsätzlichen hat sich etwas bewegt, aber nicht so, wie es sein sollte.“

Benjamin Heinz ist Marketing Manager beim Cornelsen Verlag. Foto: Benjamin Heinz

Demnach ist die Digitalisierung dann auch ganz unterschiedlich in den Schulen angekommen.

„Absolut. Je nach Bundesland, aber auch je nach Region. Es gibt in nicht so gut ausgestatteten Regionen aber manchmal auch eine Schule, die beispielsweise einen guten Schulleiter hat, der sich bemüht, sich an Fördertöpfe anzuknüpfen. Dann ist diese Schule besser ausgestattet.“

Ganz oft habe ich schon den Satz gehört: „Nur weil es digital ist, macht es den Unterricht und das Lernen noch lange nicht besser.“ Was meinst du dazu?

„Ja, das würde ich grundsätzlich auch so sagen. Schlechter Unterricht digitalisiert ist genauso schlecht wie vorher. Guter Unterricht digital kann sogar besser sein, als der analoge vorher. Es geht nicht darum, dass man digitale Werkzeuge oder moderne Hardware nutzt und dann ist der Unterricht besser. Es gibt keine Gleichung, die sagt: ‚Schule + digital = besser’. Der Lehrer muss das auch können und die didaktischen Fähigkeiten besitzen, damit umzugehen und guten Unterricht zu machen. Digital macht nicht alles sofort besser – so leicht ist es leider nicht.“

So ein digitales Werkzeug habt ihr bei Cornelsen mit dem „mBook“ auch entwickelt. Was ist das Konzept dahinter?

„Beim mBook steht das ‚M’ für Multimedia. Es ist zunächst für den Geschichtsunterricht entwickelt worden. Es geht darum, dass man zusätzlich zu dem gedruckten Schulbuch die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzt. Man hat Audios, Videos, interaktive Elemente und die Möglichkeit dort die Antworten einzugeben und so sein Schulbuch zu individualisieren. Man kann Glossare anklicken und bekommt gleich an der Stelle die Antwort, wenn man etwas nicht verstanden hat, anstatt nach ganz Hinten blättern zu müssen. Das Multimediale wird genutzt, um dem Schüler einen Mehrwert zu bieten. “

So sieht das Cover des mBooks aus. Foto: Cornelsen Verlag

Wie hat die Idee des mBooks bei euch im Verlag angefangen? Ich kann mir gut vorstellen, dass einige die Sorge hatten, dass man sich durch die digitale Version auf dem Printmarkt selbst abschafft.

„Das war eine spannende Geschichte. Wir waren eigentlich ein Start-Up aus Eichstätt. Ich habe da in Bayern studiert. Mit meinem Chef, der Wissenschaftler ist, habe ich 2011 das mBook entwickelt. Wir wurden dann in 2017 von Cornelsen gekauft. Cornelsen hat gesehen, dass da Potential ist, das sie selbst so noch nicht haben. Sie haben unsere Expertise genutzt, um jetzt auch mBooks für weitere Fächer zu machen. Bei uns war es nur für Geschichte.“

Da ihr das zunächst unabhängig von Cornelsen gemacht habt: An welchen Lehrinhalten und Unterrichtsstoffen habt ihr euch orientiert?

„Wir haben das alles selber entwickelt. Ich habe Geschichte studiert, mein damaliger Chef hat Geschichtsdidaktik gelehrt. Auf Grundlage aller Lehrpläne, die es so gibt, haben wir die Inhalte selber erstellt. Wir hatten keine Printvorlage, sondern haben alles von Null auf Digital entwickelt.“

Welches Feedback habt ihr von Klassen, die jetzt schon mit dem mBook arbeiten, bekommen?

„Das Feedback fällt super aus, weil die Motivation höher ist, weil die Schüler wissen, dass sie mit zeitgemäßen Materialien arbeiten. Beim Geschichtsunterricht war es früher immer so, dass das sofort veraltet war. Jetzt können wir alles aktualisieren. Seien es Präsidenten, die sich ändern. Wir nutzen immer aktuelle Beispiele, damit die Leute einen Anschluss an die Gegenwart haben. Und wenn manche Beispiele von Schülern nicht mehr als solche verstanden werden, können wir sie austauschen. Diese Aktualisierbarkeit und die Videos, in denen sie sehen können, wer die Schulbücher gemacht hat, kommen gut an. Am Anfang von jedem Kapitel gibt es ein Video, in dem der Autor dem Schüler erzählt, wieso er dieses Kapitel so geschrieben hat.“

Ist das mBook eine Richtung, in die Cornelsen jetzt weiterarbeitet oder ist etwas ganz Neues geplant?

„Also ich würde sagen, die mBooks sind das, was man jetzt erst einmal macht. Unser Longrun, also wirklich lang, lang Perspektive, da muss man wirklich überlegen, ob das Schulbuch noch Bestand haben wird. Ob man es immer noch Schulbuch nennt oder ob es irgendwann ein Portal sein wird – das weiß man nicht. Man entwickelt natürlich nebenbei schon Zukunftsmusik, wo man überlegt, löst sich das Schulbuch wirklich auf und macht Sachen mit Virtual Reality. Die Schulen müssen aber erstmal digitaler werden.“

Experimentieren mit der VR-Brille. Foto: Benjamin Heinz

VR ist ein guter Stichpunkt: Du bist ja auch Teil des Instituts für digitales Lernen. Da experimentiert ihr mit Virtual Reality und Mixed Reality rum. Kannst du einen Einblick geben, wie sich diese Technologien sinnvoll im Unterricht einsetzen lassen?

„Genau. Da experimentieren wir ganz wild rum, da wir beim Institut ein Digitallabor sind und schauen wollen, wie man das sinnvoll einsetzen kann. Wir probieren unterschiedliche Hersteller aus und schauen, wie wir verschiedene Settings für die Schule aufbauen können. Und wir arbeiten an der digitalen Schule, die dann später mal VR nutzen kann. Im Herbst machen wir eine Tagung, zu der wir Leute zu diesem Thema einladen. Da sind wir noch am Anfang und erstellen Prototypen.“

Kann man schon sagen in welche Richtung ihr geht, zum Beispiel Videogame – oder ist das noch komplett offen?

„Wir haben uns erstmal die benötigten Geräte angeschafft und die Anwendungen ausprobiert. Auf Grundlage dieser schauen wir gerade, in welche Richtung es gehen kann. Da sind wir aber noch sehr offen. Vor allem diese Möglichkeit an Orte zu reisen, wo man sonst keine Möglichkeit hat, hinzukommen, begeistert uns. Zum Beispiel in Biologie den Ozean zu nutzen und dort Aufgaben zu machen – das finden wir sehr faszinierend.“

Für wie realistisch hältst du es aktuell, dass Mixed oder Virtual Reality in Schulen einzieht?

„Es ist wirklich schwierig. Wenn man immer noch an der Frage hängt, ob man WLAN in den Schulen hat, dann ist es schwierig sich vorzustellen, dass die Schüler plötzlich VR-Brillen haben. Das ist gefühlt zwei Sprünge zu weit. Wobei längerfristig es natürlich schon eine digitale Schule geben wird, in der solche Elemente mit dabei sein werden. Kurzfristig und mittelfristig wird das an paar wenigen Schulen vorhanden sein, weil sie Partnerschaften mit Herstellern eingehen.“

Das Institut selbst ist ja im bayrischen Eichstätt. Du hast am Anfang auch diesen Bundesländer-Vergleich gemacht. In meiner Schulzeit hieß es immer, dass das Abi in Bayern besonders anspruchsvoll ist. Ist das Bundesland an sich in Sachen Digitalisierung auch anders zu betrachten – vielleicht sogar weiter?

„Die Bayern denken immer, sie haben eine Extrawurst. Das ist eine Frage der Selbstwahrnehmung. Wir haben auch viel mit Nordrhein-Westfalen gemacht. Das ist schwierig zu sagen. Es gibt in Bayern einfach einige digitale Schulen, die sehr weit sind. Auch das Projekt „Digitale Schule 2020“ hat hier angefangen, bei der manche Schulen mitmachen. Bayern gehört mit anderen, wie Baden-Württemberg und NRW, schon zu den Vorreitern.“

Wie kann für Lehrer ein Start in den digitalen Unterricht gelingen?

„Es gibt ja auf Twitter viele Communities von Lehrern. Unter dem Hashtag #BayernEdu bei uns in Bayern oder bei den #edupnx, #edchatde – da kann man sich auch vernetzen. Sich mit anderen Lehrern auszutauschen und Infos von ihnen aus erster Hand zu bekommen, das finde ich sehr sinnvoll. Auf Facebook gibt es Gruppen zum Thema „Digitales Unterrichten“ und natürlich auf den Verlagsseiten.“

Wenn du einen Wunsch an die Digitalministerin Dorothee Bär richten könntest in Sachen „Digitalisierung an Schulen“ – welcher wäre es?

„Ich würde mir wünschen, dass wir einen langfristigen, strategischen Ansatz entwickeln, alle Schulen mitzunehmen und nicht nur einige wenige. Also, dass Digitalisierung wirklich in der Breite ankommt und sie es als Chefaufgabe sieht. Und man dann zum Beispiel sagt: ‚2020 haben wir alle Schulen an das WLAN angeschlossen.‘ Wenn es immer nur 10 oder 20 Prozent der Schulen sind, dann brauchen wir gar nicht von VR reden, dann bleibt das alles ein Hirngespinst. Und wir brauchen natürlich eine Digitalstrategie dazu, damit die Lehrer wissen, wie sie damit umgehen sollen.“

 


Wie unterscheiden sich Mixed-, Virtual- und Augmented-Reality voneinander?Virtuelle Realität (VR) ist die Schaffung einer scheinbaren Welt in die der Betrachter eintauchen, sich in ihr bewegen und seine Fantasien und Vorstellungen umsetzen kann. Es ist eine vom Computer geschaffene Welt ohne reale Gegenstände. Virtual Reality bildet eine hochwertige Benutzerschnittstelle, die über Kopf- und Handbewegungen, über die Sprache oder den Tastsinn gesteuert wird“, schreibt ITWissen auf seiner Homepage.

Des Weiteren wird dort erklärt: „Die erweiterte Realität, Augmented Reality (AR), ist eine Kombination aus wahrgenommener und vom Computer erzeugter Realität. Sie gehört wie die erweiterte Virtualität, Augmented Virtuality (AV), zur Mixed Reality (MR). Im Gegensatz zur virtuellen Realität, der Virtual Reality (VR), geht es bei der Augmented Reality darum, dem Anwender zusätzlich zu den realen Wahrnehmungen weitere Zusatzinformationen, die einen unmittelbaren Bezug zu den Wahrnehmungen haben, zur Verfügung zu stellen. Bei der Augmented Reality wird die Realität durch Zusatzinformationen erweitert, wobei zwischen der Wahrnehmung und den Zusatzinformationen eine Echtzeit-Interaktion besteht.“

ITWissen meint weiter: „Zwischen der Realität und der Virtualität gibt es noch die erweiterte Realität, Augmented Reality (AR), und die erweiterte Virtualität, Augmented Virtuality (AV). Diese beiden Zwischenformen sind Mixed Realities (MR), gemischte Realitäten. In der Mixed Reality werden die reale Welt oder die virtuelle Welt miteinander kombiniert. Ein Beispiel hierfür ist die Telepräsenz, bei der reale Personen in virtuellen Umgebungen erscheinen. Bei der Augmented Reality sind es virtuelle Informationen, Animationen oder Grafiken, die in realen Szenen eingeblendet werden, bei der Augmented Virtuality sind es reale Einblendungen, die mit virtuellen Szenen kombiniert werden.“


 

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Beitragsbild: Schüler haben das mBook im Einsatz. Foto: Benjamin Heinz

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